History
Die Wiege der Fastnacht - das Mittelalter
Die im Ablauf des Kirchenjahres bestimmend geregelten christlichen Feste, wiesen den Tag vor Aschermittwoch eine besondere Bedeutung zu. Er war von Anfang an durch die nachfolgende vorösterliche Fastenzeit, der Zeit der Entsagung und weitgehenden Enthaltsamkeit von den Freuden des Lebens geprägt. Damit rückte aber gerade das, was nach diesem Tage aus kirchlicher Sicht verpönt war, in den Mittelpunkt des Geschehens: das Essen und Trinken, das Tanzen und Singen, die Ausgelassenheit und zügellose Ausschweifungen.
Zuerst werden es wohl die Klosterschulen gewesen sein, in denen die Schüler und jungen Novizen ihrem Übermut freien Lauf gelassen haben. Eselsfeste und Knabenbischofswahlen, Narrenmessen und frohe Theaterspiele bildeten sich aus und auch die älteren Klosterinsassen schauten, dass sie vor der Zeit des strengen und langen Fastens nochmals auf ihre Rechnung kamen. Derartige Ausschweifungen sind auch in Naumburg belegbar.
Hier ist in den Stadtanalen des Jahres 1525 folgender Vorfall aufgezeichnet. Vierzig Gesellen verkleideten sich als Kardinäle, Bischöfe, Nonnen und Mönche, führten in dieser Kostümierung wilde Tänze auf und verspotteten so ihre Kirchenoberen. Das war für den Bischof Grund genug diese Gesellen verhaften zu lassen. Ihre Freiheit mussten sie sich durch die Zahlung einer Geldstrafe zurück kaufen.
Im weltlichen Bereich ging es vor allem in den Dörfern recht derb zu. Hier standen Spott und Rügespiele im Zentrum des öffentlichen Geschehens. Auch Verkleidungen spielten dabei eine gewisse Rolle, da man mit ihnen die strengen kirchlichen und weltlichen Kleiderordnungen durchbrechen konnte. Selbst Darstellungsformen aus vor- und frühzeitlicher Zeit konnten sich unter diesen Bedingungen lange in den abgelegenen Regionen erhalten und wirken dort heute noch nach.
In den Städten bestimmten die Rats- und Zunftordnungen das Geschehen an diesem Tage. Heischeumzüge der Gesellen besorgten die materiellen Voraussetzungen und auch in den Häusern der finanziell besser gestellten Schichten nahm man gerne mit Gelagen und Tänzen Abschied von den vollen Bechern und Schüsseln.
So veranstaltete der Herzog Ludwig Adolf von Braunschweig, der von 1690 bis 1731 auf der Blankenburg eine "Bauernhochzeit". Die Hochzeitsrituale und der folgende Hochzeitsschmaus fanden nach Bauernart statt. Wir unterliegen bestimmt einen Irrtum, wenn wir annehmen, dass die Festtafel karg gedeckt war, auch wenn das Geschirr aus Holzlöffel, -gabeln, -tellern und -bechern bestanden hat.
In Weißenfels hatte man um 1700 die Fastnacht über "bey Hofe Operen, Comoedien, Kampf-Jagen und Redouten gehalten. Auch die Heischeumzüge, anderswo auch Zempern genannt, finden wir in vielen Orten unseres Landes.
Die Ritterschaft zeigte auf eigens ausgerichteten Fastnachtstutnieren ihre Freude an Farben und Spielen. Im hohen Mittelalter bildeten sich aber auch neue und ganz eigene fastnachtliche Festformen heraus, wie z.B. der lange Tanz und das Rohrbundlaufen in Wernigerode und Quedlinburg.
In diesen meist von Handwerkern gestalteten Festabläufen traten symbolisch der Teufel und die Sündhaftigkeit des Menschen in den Vordergrund. Das große Schmuckbedürfnis dieser Epoche und der gestiegene Wohlstand führten in den Städten sogar zur Entwicklung eigener Gewandungen für das Fastnachtstreiben.
Schließlich fand auch das Fastnachtsspiel unter dem Einfluss des Meistersanges in dieser Zeit zu seiner literarischen Hochform. Das dies alles nicht von Übertreibungen und Auswüchse verschont blieb, zeigen die zahlreichen Verbote und Eingriffe der Ratsgremien, Landesherren und Kirchenoberen.
So weist z. B. die Stadt Burg 1474 ihre Bürger auf folgendes hin: " Auch soll fastnachten nymand in unserer Stad bygk worste oder ander gaben geben noch nehmen.". Aus etwa gleicher Zeit kann eine Anweisung im Stolberger Kirchenregister nachgelesen werden, die "beim Sonntag zu Fastnacht" erlassen wurde, "es solle das Volk ermahnt werden, uff das nicht zeu leichtfertig in diesser Zeit befunden werde."
In den Auseinandersetzungen der Kirchenreformation kam es schließlich zur völligen Unterdrückung der Fastnacht in den reformierten Ländern.